erster Blick auf Rio

Das hat man davon, wenn man sich zu große Vorstellungen macht. Erstens geht die Sonne noch immer im Osten auf, also hinter uns und zweitens haben wir nach so langer Zeit weit draussen am Meer vergessen, dass es Dunst über Land geben kann. Also nichts mit dem ach so tollen Sonnenaufgang über dem Zuckerhut, denn mit der Dämmerung zog auch der Nebel auf  (hat sich aber dann rasch wieder verflüchtigt). Die ersten Eindrücke waren überwältigend –

Corcovado hinter Copacabana

 die Copacabana ist ein blendend weisses Band aus Sand mit einem Hintergrund aus Hochhäusen. Erst wenn man in die weitläufige Bucht einbiegt, sieht man das eigentliche Rio de Janeiro (wird hier Hio ausgesprochen) – eine richtige Millionenmetropole. Trotzdem traumhaft schön, weil diese bizzaren Felsen, dieses unglaubliche Grün und natürlich das Wasser rundherum und dazwischen ist.

der Zuckerhut lässt grüßen!

Der Pao de Acucar steht praktisch mitten in der Bucht, jedoch war für mich der Corcovado mit seiner Christusfigur noch beeindruckender (genauere Eindrücke und Schilderungen folgen i.d.n.T. nach der Besichtigung). Wir haben uns entschieden, im Yachthafen von Niteroi (ist auf der gegenüberliegenden Seite der Bucht) zu bleiben, da es dort weitaus ruhiger und ungefährlicher ist. Auch wird dort der Geldbeutel nicht so geschröpft und fahren mit der Fähre rüber nach Rio.  

Empfangskomitee

Gerade als wir die Festungsanlagen passieren, bekommen wir ein einzigartiges Empfangskomitee – ein U-Boot kommt uns entgegen – wir fragen uns schon, ob wir so gefährlich aussehen, aber die grüssen freundlich und fahren weiter. Wir legen die letzten Meter zurück und vertäuen uns im Yachtclub – endlich angekommen! Jetzt genehmigen wir uns erstmal ein kühles Blodes und versuchen unsere Seebeine wieder an festem Boden zu gewöhnen.

Vor etwas mehr als einer Woche haben wir uns in Maceio an die letzten Ausläufer des Tiefs gehängt um mit dem langersehnten SO-Wind gegen Süden zu kommen. Die ersten paar Tage hat er auch schön angehalten, aber dann wurde er wieder orientierungslos und in der Nacht hatte er zeitweise Atemnot (wir sollten unsere Spenden für Neptun vielleicht noch mal überdenken). Nach einigen Schlangenlinien haben wir unsere Seekarten konsultiert und einen Badestopp auf den Abrolhos (Naturschutzgebiet) ins Auge gefasst. Kurz und gut, nachdem wir den neuen Kurs angelegt und ich schon fast meine Flossen an hatte, hat sich der Wind dann doch entschlossen endgültig auf Süd zu drehen und es ging mit rasanter Fahrt vorwärts. Nun war die Entscheidung: Vernunft oder Vergnügen. Laut den Wetterberichten hält dieser Idealwind nur 2-3 Tage an.

Oelbohrinseln

Na wer glaubt’s denn, wiedermal hat die Vernunft gesiegt und wir sind weitergefahren – die Etmale von 140-155 sm haben unsere Entscheidung bestätigt. Seit gestern segeln wir durch riesige Felder mit Ölbohrtürmen und der Schiffs- wie auch Helikopterverkehr nimmt beängstigende Ausmaße an (kein gelegentliches Dösen mehr bei den Nachtwachen). Die riesigen hellerleuchten Förderanlagen sehen speziell in der Nacht utopisch aus.

Cabo Frio

Heute Mittag haben wir bei Cabo Frio endlich wieder Land in Sicht bekommen und segeln jetzt entlang am nicht enden wollenden weißen Sandstrand bis Rio. Da wir vor der Dunkelheit nicht mehr ankommen werden, fahren wir mit stark gerefften Segeln und geben uns den Zuckerhut erst bei Sonnenaufgang – soll dann ganz besonders reizvoll sein!

Wir sind jetzt schon seit fünf Monaten unterwegs und noch immer haben wir nicht genug! Es geht uns nur langsam das Zeitgefühl speziell bei den Überfahrten abhanden, wenn sich so ein Sonnentag an den anderen reiht. Da hilft nur ein konkreter täglicher Zeitplan – Etmal berechnen um 12 Uhr und unser täglicher Versuch mit der Außenwelt in Kontakt zu treten um 19 Uhr UTC. Dazwischen befinden sich unsere Grauzonen. Nach unserem gemeinsamen Abendessen bzw. Sundowner lege ich mich aufs Ohr und Christoph übernimmt die Wache bis Mitternacht. Danach quäle ich mich über die Stunden bis vier Uhr und kuschle mich dann wieder ins noch warme Bettchen. In der Früh werde ich dann meistens mit einem Kaffee oder Kakao geweckt.

na was wird´s denn heute?

Da Christoph dann bereits der Hunger plagt wird schon mal beratschlagt, was denn heute so gekocht werden soll – eigentlich Fisch, aber wir haben immer auch ein Alternativprogramm (wir sind die idealen Tierschützer – nur Selbstmörder kommen in unsere Pfanne). Untertags brauchen wir eigentlich keine fixe Wacheinteilung, da wir sowieso immer irgendwo herumwursteln und so immer ein Auge auf die Umgebung haben.

leckere Pizza !!!

Gelegentlich gibt es Highlights, so wie heute, wo wir einige Schwertwale beobachten konnten. Nur leider sind die Giganten der Meere so scheu, dass sie immer in großer Entfernung bleiben – trotzdem bombastisch diese Kolosse wenn sie auftauchen. So verrinnen die Stunden und Tage und wir entrücken immer mehr dem Alltag. Erfrischend sind dann immer am Abend die Berichte und Mails über Funk von Freunden und Eltern, wo man dann wieder ein bisschen in die Realität zurückgeholt wird (bitte uns auch weiterhin am Laufenden halten!!!!!)

Sollten wir wirklich mal in der misslichen Lage sein, von unseren Fängen leben zu müssen, würden wir wahrscheinlich verhungern. In Österreich haben wir das Größte am Markt erhältliche gekauft bzw. geschenkt bekommen und ich war der Meinung, dass unsere Haken und Köder für Blue Marlins und Thunfische geeignet sind – wurde aber schnell eines Besseren belehrt. Wir wollten es Dominik ja nicht glauben, aber er hatte Recht. Bis Madeira waren unsere Angelerfolge eher gering, also wurden dort größere Haken gekauft.

vernünftige Angelhaken

 Seit dem hatten wir wenigstens ein paar Mal was in der Pfanne. Der wirklich große Fang ist uns aber bis dato nicht geglückt, da sich auch diese Haken bei größerer Beute einfach aufbiegen bzw. abgebissen werden (trotz Stahlvorfachs!) oder der Fisch sich nicht einfach geschlagen gibt und uns kurz vor dem Rausziehen frech die Flosse zeigt und abtaucht. Ach ja, Angelhaken sind eindeutig Verschleißteile.

vom WWF empfohlener Köder

Nach dem dritten Mal reinhängen ist nur mehr ein rostendes Irgendwas dran und auch die teure Rolle funktioniert schon nicht mehr (von wegen seewasserfest und nichtrostend!). Hoffentlich sind wenigstens die Brasilianer in Rio begeisterte Angler, denn dort werden wir wohl oder übel unsere Ausrüstung wieder aufstocken müssen. Nächste Größe der Angelhaken ist dann bereits ein Gaff!

Unser Bug schneidet wieder durch die dunkelblaue See und die Krönchen auf den Wellenkämmen leuchten silbrig. Es ist einfach unbeschreiblich schön bei Vollmond zu segeln.

Abschied von Maceio

Zwischen zwei Gewittern haben wir uns heute Morgen aus dem Hafen geschummelt um noch den einsetzenden SO-Wind ausnützen zu können. Die Wellen vor dem Hafen waren aufgrund des vorgelagerten Riffs und der geringen Wassertiefe noch relativ hoch, denn erst 20 sm vor der Küste geht es abrupt von 30 m auf 3000 m runter. Da wir ja hier wie die bunten Hunde (einzige ausländische Yacht) waren, haben uns sogar die hereinkommenden Fischer zum Abschied gewunken.

Fischerboot

Wir müssen zwar die erste Zeit mal wieder hart am Wind gehen, aber laut Wetterkarten sollte sich dieser relativ rasch auf Ost drehen – na warten wir mal ab, wir sind ja schon einiges gewöhnt!
Ach ja, das Ausklarieren gestern war total easy, binnen einer Stunde waren wir fertig und die Beamten froh, uns wieder los zu sein. Wir sind draufgekommen, dass wir erst die dritte Yacht dieses Jahr in diesem Hafen waren, somit ist die Verwirrung bei den Ämtern zu verstehen, da sie nicht wussten, wie mit uns zu verfahren ist (aber vielleicht war grad das unser Glück!).

Segelboot

Wir haben langsam das Problem, dass wir uns hier zu gut eingewöhnen. Es ist einfach herrlich, durch die Märkte zu bummeln, in kleinen Cafés abzuhängen oder im Yachtclub mit den Leuten zu quatschen. Dort sind doch die besser situierten Leute, die Großteils auch englisch sprechen (da geht die Unterhaltung doch etwas flüssiger). Samstagmittags ist im Yachtclub immer großer Treffpunkt und wir natürlich mitten drin. In der Zwischenzeit hatte sich nämlich bereits rumgesprochen, dass ein ausländisches Segelboot angekommen ist und die Meisten waren neugierig. Denn wer in Südamerika etwas auf sich hält, ist interessiert an der europäischen Kultur und Musik (dürfte noch von der Kolonialzeit stammen).

Christoph alias Robinson Crusoe

Ganz rührend war Donna Eleonora, die Gattin des Altpräsidenten des Yachtclubs, die es sich, obwohl sie erst einen Gehirnschlag hatte und kaum gehen und sprechen konnte, nicht nehmen lassen wollte, uns zu begrüßen. Es ist unglaublich, wie nett hier die Menschen sind.

Der Wind bläst zwar immer noch sehr stark, jedoch hat er langsam auf SO gedreht und so werden wir morgen ausklarieren und am Dienstag endlich nach Rio aufbrechen.

Maceio bei Nacht

Den Vormittag haben wir der Pflege des Schiffes gewidmet. Christoph kratzt und grundiert die Rostflecke und repariert die völlig korrodierte Angelrolle und ich versuche unter Deck wieder die Oberhand über Sand und Dreck zu bekommen. Als wir am Nachmittag an Land fahren wollen, ziehen schon dunkle Regenwolken auf und die ersten Schaumkronen kommen in den Hafen. Wir rollen noch rasch das Sonnensegel zusammen und legen die Matratzen wieder runter. Kaum dass wir im Internetcafe sind, bricht auch schon das Inferno aus – es ist kein Regen, es ist Weltuntergang – innerhalb von 10 Minuten steht die Straße 15cm unter Wasser. Nicht einmal mehr die Internetverbindung funktioniert, könnte aber auch an der schwachen Verbindung liegen (war gestern auch nicht besonders). Die Rückfahrt mit dem Dinghi wurde dann sehr feucht, da der Schwell genau auf den Strand stand. Unsere Taurus rollt in der offenen Bucht und wir müssen sogar das Beiboot komplett aufs Vordeck heben, denn am Spifall schlägt es zu viel an die Bordwand – na das wird eine unruhige Nacht!

Wir sind nur froh, dass wir  nach Maceio eingelaufen sind, denn sonst wären wir zwei Tage in der Flaute gestanden und hätten jetzt Böen mit 30kn aus Süden genau auf die Nase. Wir glauben jetzt doch wieder den (Un)wetterberichten und Wettergurus!

Da wir schon von anderen Seglern erfahren haben, dass die Behördengänge in Südamerika länger dauern können, sind wir gleich morgens mit dem Beiboot beim Yachtclub angelandet. Zum Glück war jemand da und wir konnten uns dort landfein machen und unser Boot sicher verwahren. Rundherum sind nämlich bereits Favelas und gestern haben wir mit Bauchweh das Dinghi am Strand vor dem Club liegen gelassen (ist aber zum Glück nichts weggekommen). Christoph hat sich widerwillig bei der Hitze in lange Hosen, Hemd und geschlossene Schuhe geworfen, da hier bei offiziellen Stellen sehr auf Etikette geachtet wird (und wir natürlich nicht negativ auffallen wollen). Gestern hatte ich noch  versucht mich verbal verständlich zu machen und bin damit kläglich gescheitert, da das brasilianische Portugiesisch kaum aussprechbar ist (in weiser Voraussicht habe ich einen Sprachführer portugiesisch und ein Wörterbuch brasilianisches Portugiesisch mitgenommen). Heute bin ich gescheiter und habe nämlich einen Zettel mit unserem Anliegen geschrieben, den ich einfach jedem, wie bei einem Banküberfall mit einem Lächeln in die Hand drücke. Wir ernten damit zwar anfangs immer verwunderte Blicke, die sich jedoch schnell in Erleichterung  ändern. Zuerst müssen wir den Weg zu der policia entrada (Polizei-Passstelle) finden, wo wir die Einreisebestätigung und den Stempel im Pass bekommen, dann geht es weiter zur receita federal (Zoll) wo sie uns ein Loch über den Wert des Schiffes sowie seines Inhaltes in den Bauch fragen und zu guter Letzt noch in die capitania dos portos (Hafenbehörde). In jedem Amt werden Berge an Formularen ausgefüllt und wir haben ca. zwei Stunden pro Stelle gebraucht, obwohl wir die Einzigen waren und immer sofort sehr nett und bevorzugt behandelt wurden. Es ist unglaublich, wie bemüht die Brasilianer sind, obwohl wir kaum portugiesisch und sie nur sehr schlecht englisch können, aber mit gutem Willen, Händen und Füßen geht alles. Das Erschreckende ist nur, dass wir bei unserer Abreise den gesamten Marathon nochmals machen müssen um die Laufzettel für den nächsten Hafen (Rio) zu bekommen und dort nochmals alle Stellen abklappern müssen – der Amtsschimmel wiehert!

Restaurant mit Donauwalzer

Am frühen Nachmittag sind wir hungrig in ein kleines Restaurant eingefallen, nachdem wir mit dem Kellner so schlecht und recht kommuniziert haben, erklang plötzlich aus dem Lautsprecher, man glaubt es kaum, der Donauwalzer. Wir waren fasziniert, dass hier jemand weiß, dass Strauss Vater und Sohn aus Österreich sind bzw. diese Art von Musik hier bekannt ist. 

Bootswrack

Da war natürlich das (nicht vorhandene) Eis gebrochen und wir haben mit englisch, französisch und ein paar Brocken spanisch/portugiesisch mit den Besitzern des Lokals Freundschaft geschlossen.  Später hat er uns sogar noch persönlich zum Internetladen gebracht (hätten wir selbst nie gefunden). Auch dort, kaum Englischkenntnisse aber irrsinnig freundlich und bemüht. Leider sind wir dort drauf gekommen, dass wir den Stick mit den Bildern am Schiff liegen gelassen haben – also morgen auf ein neues.

Unsere Entscheidung einen Zwischenstopp zu machen war goldrichtig. Freitagnacht habe ich noch über Funk mit einem vorbeifahrenden Frachter geplaudert und dieser hat uns auch vor dem herankommenden Tief gewarnt. Bis Samstagmorgen sind wir noch mit prallen Segeln und 6-7 kn auf Raum-Wind-Kurs durch die Wogen geglitten und hatten schon auf ein spitzen Etmal gehofft – aber zu früh gefreut. Wie konnte es anders sein, der Wind ist eingeschlafen und so sind es nur 145 sm geworden. Unsere Berechnung, dass wir Maceio am Samstag noch vor Sonnenuntergang erreichen war damit auch dahin. So sind wir eben die ganze Nacht die Küste entlang gedümpelt und mussten höllisch wegen der unbeleuchteten Fischerboote aufpassen. Es ist zwar dann gegen Morgen leichter Wind aufgekommen, aber natürlich genau auf die Nase. So haben wir für die letzten 15 sm die Maschine angeworfen und der Anker ist um 9:00 UTC im grünen Wasser des Hafens von Maceio gefallen – endlich wieder Land unter den Füßen. Nach einem gemütlichen Frühstück ohne wackeln und einer ausgiebigen Dusche haben wir mit dem Beiboot an den weißen Sandstrand übergesetzt um uns mit den Einklarierungsprozedere vertraut zu machen und erste Kontakte mit Südamerika zu knüpfen.

Ausflugsboot

Was wir bisher gesehen haben gefällt uns sehr gut – Palmen, weißer Strand, gute Musik, nette Leute und verdammt gutes Essen. Wir haben nämlich gleich mal ein halbes Rind und einen ganzen frischen Gemüsegarten niedergemacht und diesen in kaltem Bier ertränkt – was für eine Wohltat.

Delphine

Ich weiß ja nicht, wie alt der Kaffeesatz ist, in dem die sogenannten Meteorologen ihr Wetter lesen, aber die Vorhersagen sind noch weniger glaubwürdig als das Horoskop in einer Tageszeitung. Die von uns gezogenen Grib Files sagen z.B. für heute 10-15kn aus SO voraus – in Wirklichkeit haben wir jedoch 25-30 kn und fliegende Wellenkämme aus genau Süd. Von wegen angenehmer SO-Passat und raumer Wind, wir bolzen nunmehr von Anfang an immer gegen die Wellen hart am Wind. Aber wenigstens die Interpretationen von Rudi, die er uns dankenswerter Weise über Funk schickt, kommen dem tatsächlichem Wettergeschehen zumindest nahe (bitte Rudi schick auch weiterhin so verlässlich das Wetter!). Wir hoffen ja noch immer, dass der Wind zumindest um 20° nach Ost dreht, damit wir halbwegs komfortabel nach Rio kommen.

Buchseite 32 von 40
1 30 31 32 33 34 40

Kategorien