22.09.2015

Mo. 21.09.2015 – Tagebuch einer Überfahrt

wann geht's denn endlich los?

wann geht’s denn endlich los?

Was wir so erleben und machen wenn wir 1400 Seemeilen vor uns haben.

Tag 1: Obwohl wir gestern noch eine ausgedehnte Abschiedsrunde bei unseren Freunden absolviert hatten, sind wir doch bereits um 5:30 bei Sonnenaufgang munter geworden. Haben den Außenborder verstaut, das Dinghy an Deck verzurrt, alles wieder seefest verstaut und sind bereits eine Stunde später dem Morgen entgegen gesegelt. Nach zwei Monaten Standzeit hat die Maschine beim Starten etwas gemuckert, schon wieder der Starter! Aber wozu füttert man denn seinen eigenen Chefingenieur die ganze Zeit durch – soll auch mal was zu tun bekommen (hihi). Die Ankerkette ist die ersten paar Meter komplett mit Muscheln und Algen verwachsen – wir bekommen schon ein schlechtes Gewissen für unseren Faulheit, aber bei dieser ekeligen braunen Brühe verspürten wir nicht die geringste Lust ins Wasser zu gehen um den Rumpf von dem ganzen Bewuchs (Seepocken und Entenmuscheln) zu befreien – Schande über uns! Die Gezeitenströmung nimmt uns die ersten Meilen schön mit, aber in der Ausfahrt müssen wir dann ein gutes Stück gegen Wind und Wellen aus dem Riff motoren und da bereuen wir schon unsere Nachlässigkeit, aber was sollen wir jetzt tun. Wir baumen die Genua aus und belassen das Segel für die nächsten Tage einfach so. Die ersten 30 Meilen sind noch viele Fischerboote unterwegs, aber ab der 200m-Tiefenlinie gibt es auch keine Fischer mehr.

Tag 2: sehr angenehme Nacht, obwohl wir uns erst wieder an die Nachtwachen gewöhnen müssen. Beim Morgenkaffee ist dann die Gasflasche leer – warum gerade jetzt? Warum hat das nicht zwei Tage vorher sein können, da hätten wir noch in Brasilien auffüllen lassen können – tja, ist eben eins von Murphy`s Gesetzen. Den Tag mit lesen, Fotos sortieren oder einfach nur relaxen verbracht.

angenemes segeln

angenehmes segeln

Tag 3: der Tag so wie gestern – ein ganzes Buch verschlungen, über die Probleme des Lebens sinniert und festgestellt, dass es uns einfach nur gut geht. In der Nacht beim Cabo de Sao Roque viel Grossschiffverkehr. Die Meisten weichen großräumig aus, aber auf einem Containerschiff dürfte die Wache geschlafen haben – macht Manöver der letzten Sekunde. Uns wird etwas mulmig, denn wenn so ein Riese mit gut 20 Knoten in der Nacht hinter einem her ist, kommt man sich nicht größer als eine Sprotte vor.

Tag 4: noch immer haben wir guten gleichmäßigen achterlichen Wind und relativ ruhige See. Die Segelstellung hat sich in den letzten Tagen kaum verändert. Lesen viel und spielen Domino (Karten fliegen zu leicht davon und Würfel bzw. Schachfiguren sind immer so schwer wieder aus dem Cockpitboden-Gräting zu fischen). Entscheiden uns endgültig Ilja de Lencois doch nicht anzulaufen, da wir zügig weiterkommen und das Wetterfenster nutzen wollen. Abgesehen davon ist am 30.09. ein Raketenstart in Kourou und da wollen wir gerne dabei sein.

Tag 5: am frühen Abend überqueren wir nach über fünf Jahren, einem Monat und einer Woche wieder den Äquator und sind nun endgültig in der nördlichen Hemisphäre. Dazu lassen wir den Korken knallen (ist das wirklich ein Grund zum Feiern?) Es ist so wie die meisten Nächte – warm, sternenklar und viele, viele Sternschnuppen. Abends sieht man das Kreuz des Südens und den Skorpion, nachts den Orion und die Milchstraße und gegen Morgen steigt dann, heller leuchtend als alles andere, der Morgenstern (Venus) auf – wie wunderschön!

mutiger Fischer

mutiger Fischer

Tag 6: haben heute mal unsere Angel aktiviert und es hat auch etwas angebissen, dürfte aber sehr groß und stark gewesen sein, denn es war überhaupt nicht zu halten und wir haben die gesamte Leine eingebüßt. So ist heute mal Bastelstunde angesagt und wir präparieren neue Köder. Eine dicke Wolke beschert uns den ersten und einzigen Regenschauer der ganzen Fahrt. Ganz angenehm, dass der ganze Sand und Dreck noch aus Brasilien mal vom Deck gespült wird.

Tag 7: heute viele Delphine (oder waren es doch Schweinswale – sind so schwer auseinander zu halten) – begleiten uns über Stunden. Starke Nacht – zuerst starke weiße Blitze im Wasser, so ganz anders als das normale fluoreszierende Plankton. Müssen aber auch irgendwelche Meerestierchen sein – ist auf jeden Fall verwirrend, weil man immer glaubt, dass da ein schlecht beleuchtetes Fischerboot in der Nähe ist. Plötzlich mitten in der Nacht ein Geräusch wie Wildwasser, starke Verwirbelungen und 3-4 Knoten Strömung. Wir sind jedoch zirka 150 Seemeilen von der Küste weg und 100 Meilen nördlich der Amazonasmündung, trotzdem merken wir ganz deutlich die immense Kraft dieses Stromes. In der Früh sehen wir dann dass sich das unergründlich tiefe Blau des Meeres in ein schlammiges Grün verwandelt hat, dass sich bis Französisch Guyana nichtmehr grundlegend ändern soll.

was bin ich?

was bin ich?

Tag 8: wieder mal unser Angelglück versucht und belohnt worden – ein schöner handlicher Mahi-Mahi. Da gibt’s die nächsten zwei Tage mal wieder vom Feinsten!

Tag 9: alles wie gehabt – tagsüber lesen, kochen oder sinnieren. Von der Konvergenzzone merken wir zum Glück nichts, haben noch immer schönen achterlichen Wind. Langsam scheuern sich die Leinen durch, weil wir noch immer die gleiche Segelstellung fahren.

Tag 10: noch 130 Meilen bis zu den Iles du Salut /Französisch Guyana – ein bisschen zu weit um noch bei Tageslicht anzukommen. So reffen wir das Segel und reduzieren unsere Geschwindigkeit. Wieder mehr Schiffverkehr – Fischer wie auch Frachter. Stehen genau zum Sonnenaufgang vor den Inseln und können schön bis zum Ankerplatz segeln. Legen auch unter Segel an, da Christoph sich erst die Maschine in Ruhe ansehen möchte.

So sieht in etwa unser Alltag aus, viel zu stressig oder nicht?

Kommentare

Grrrrrrrr…. liebe Barbara – so eine stressige Tour wäre wirklich nichts für mich…. und dann noch nicht mal einen Kaffee, griiiiiinssss!!
Es ist schön, dass es Euch sooo gut geht, aber so langsam seht Ihr dann doch Eure österreichische Grenze bald sehen, gell? Wann rechnet Ihr eigentlich damit, wieder daheim zu sein – oder verdrängt Ihr noch ganz weit diesen Gedanken?
Hellmuth und ich werden im Dezember nun entweder nach Tassi fliegen oder West-Australien-Tour für fünf Wochen. Ich habe auch mal dringend Urlaub nötig. Hellmuth fliegt nun morgen erstmal für vier Wochen nach Indien, tja die Rentner!! Bis bald und ganz liebe Grüsse und Bussi von Ute aus Bonn

sytaurus hat am September 30th, 2015 18:31 geantwortet:

tja, wir halten eben doch mehr aus, als du denken magst! Aber Kaffee gibt es immer bei uns, sogar manchmal mit selbstgebackenem Kuchen – schlecht gehts uns schon ?!? Wie lange unsere Reise noch dauert – keine Ahnung, frag Neptun. Euch eine schoene Reise nach down-under wenn Hellmuth wieder zurueck ist (der ist ja ganz schoen umtriebig)

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